Angesichts aktueller drängender Fragen tritt die Sorge um Gottes Schöpfung etwas in den Hintergrund. 2015 hat Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si’“ zur Pflege unseres gemeinsamen Hauses aufgerufen und stützte sich dabei auf eine Poesie des Franziskus von Assisi. Bruder Stefan Federbusch schreibt dazu gleich zu Beginn dieser Ausgabe: „Kann ein 800 Jahre altes Lied wie der Sonnengesang heute noch modern sein? Offensichtlich, denn über all die Jahrhunderte wurde es bewahrt, immer wieder neu vertextet und vielfältig vertont. Bis in eine päpstliche Enzyklika hinein hat es das ‚Lied der Geschöpfe‘, wie der Sonnengesang auch genannt wird, geschafft.“
Am Neujahrstag 2022 haben sich die Verantwortlichen der sechs großen franziskanischen Orden mit einem Brief an die weltweite franziskanische Familie gewandt. Sie lenken den Blick auf das 800-jährige Jubiläum des Sonnengesangs im Jahre 2025. In ihrer Handreichung heißt es: „Wenn wir als franziskanische Familie das Jubiläum des Sonnengesangs feiern, führt uns das zu einer radikalen Veränderung unserer Beziehung zur Schöpfung, die darin besteht, den Besitz durch die Sorge für unser gemeinsames Haus zu ersetzen. In der Tat muss jeder von uns aufrichtig auf diese Fragen antworten: Wie will ich meine Beziehung zu anderen Geschöpfen leben? Als ein Herrscher, der sich das Recht anmaßt, mit ihnen zu machen, was er will? Als Verbraucher von Ressourcen, der in ihnen eine Möglichkeit sieht, sich einen Vorteil zu verschaffen? Oder als ein Bruder, der vor der Schöpfung innehält, ihre Schönheit bewundert und sich um das Leben kümmert?“
Das Redaktionsteam hat für diese Ausgabe das Thema Sonnengesang gewählt und möchte für die Vision einer universalen Geschwisterlichkeit begeistern. Dazu konnten wir den franziskanischen Künstler Zacarias Nunes Lopes gewinnen. Er ist Leiter und Kunstpädagoge der Frei-Alberto-Schule in Brasilien. Bruder Zacarias hat die acht Elemente aus dem Lied der Geschöpfe malerisch dargestellt. Seine Kunstwerke geben dem Heft eine klare Struktur. Nach jeder Strophe des Sonnengesangs folgen jeweils konkrete Beispiele aus unseren Partnerländern. So schenkt Schwester Sonne einer brasilianischen Schule neue Energie, in Bolivien werden Kinder eines franziskanischen Projekts Sterne genannt, in El Salvador und Vietnam dürsten die Menschen nach Schwester Wasser, in Familienlandwirtschaftsschulen entdecken Jugendliche ihre Liebe zur Mutter Erde und in Ruanda findet Anastasia ihren Weg zum Frieden und zur inneren Versöhnung.
Es ist beeindruckend, wie aktuell eine fast 800 Jahre alte Schöpfungspoesie sein kann. Das gemeinsame Haus braucht unsere Pflege. Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Ich bin dankbar für unsere Verbundenheit und jede Form von gelebter Solidarität mit Gottes Geschöpfen.
Die Zeitschrift Franziskaner Mission liegt in gedruckter Form in allen Klöstern und Werken der Deutschen Franziskaner aus und wird an mehr als 35.000 Spender und Freunde der Franziskaner verschickt.
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