Pater Cornelius Bohl ofm

Alles hat zwei Seiten

Pater Cornelius Bohl ofm

Liebe Freunde der Franziskaner Mission!

Wir Christen sind nicht immer Sieger und Helden. In den allermeisten Fällen können wir das Böse nicht einfach „besiegen“ und ausrotten, nicht im eigenen Leben und schon gar nicht in der Welt: Ungerechtigkeit, Hunger, Gewalt, Armut. Aber das heißt nicht, dass wir deshalb gar nichts tun.

Alles hat zwei Seiten. Zumindest sehr vieles. Auch das christliche Osterfest. Aus den Osterberichten des Neuen Testaments kennen wir die Formulierung: „Jesus ist auferstanden.“ Sie weckt leicht die Vorstellung von einem strahlenden Sieger. „Das Grab ist leer, der Held erwacht“, so ein altes Osterlied. Der Auferstandene erscheint als „Held“, der scheinbar aus eigener Kraft aufersteht und Sünde und Tod besiegt.

Es gibt aber auch eine andere Seite. Die frühchristliche Verkündigung, vor allem in der Apostelgeschichte und bei Paulus, kennt nämlich noch eine andere Sprechweise: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt.“ Das ist eine andere Perspektive als „Er ist auferstanden.“ Hier erhebt sich Christus nicht aus eigener Kraft aus dem Grab, sondern wird vom Vater aus dem Tod herausgeholt. Christus ist hier nicht der siegreiche Held, sondern erfährt, dass der Vater ihm treu bleibt.

Diesen zwei Seiten von Ostern entsprechen auch zwei Sichtweisen auf das Leiden und den Tod Jesu. Da sprechen wir einmal davon, dass Jesus freiwillig das Kreuz auf sich genommen hat und bewusst in den Tod gegangen ist, um uns zu erlösen. Dabei erschienen Leiden und Tod als aktives Tun Jesu. Historisch gesehen, von außen betrachtet, wurde Jesus jedoch Opfer politisch-religiöser Machtspiele, „ausgeliefert“ und brutal ausgeschaltet, weil er unbequem und gefährlich war. In dieser Sicht macht Jesus die passiv erlittene Gewalt zum letzten und größten Zeichen seiner Liebe: Er hält seine Treue zum Vater und zu seiner Sendung und vor allem seine Liebe zu uns durch, auch dann, als er abgelehnt und umgebracht wird. Er nimmt den Tod an, weil er trotz allem auf den Vater im Himmel und dessen Treue vertraut. Im ersten Modell wird das Kreuz zur Siegesfahne. Im zweiten Modell zum Zeichen der durchgehaltenen Treue.

Es kann nicht darum gehen, diese beiden Seiten des Karfreitags und des Ostergeschehens gegeneinander auszuspielen. Den Geheimnissen unseres Glaubens kann man sich aus ganz verschiedenen Perspektiven nähern. Dennoch möchte ich heute einmal die zweite Sichtweise betonen. Denn sie hat viel zu tun mit mir selbst. Wir Christen sind nicht immer Sieger und Helden. In den allermeisten Fällen können wir das Böse nicht einfach „besiegen“ und ausrotten, nicht im eigenen Leben und schon gar nicht in der Welt: Ungerechtigkeit, Hunger, Gewalt, Armut. Aber das heißt nicht, dass wir deshalb gar nichts tun. Wir lassen uns nicht entmutigen. Wir resignieren nicht und geben nicht auf, sondern machen in Treue weiter und bleiben dran an unserer Sendung, weil wir auf die Treue Gottes vertrauen. Der Blick auf das Kreuz meint hier nicht: Wir schaffen das! Sondern: Wir sind solidarisch mit den Leidenden und tun, was wir können, weil wir dem Evangelium treu bleiben wollen und auf den treuen Gott vertrauen.

Sie haben Interesse an der weltkirchlichen Arbeit von uns Franziskanern und unterstützen sie. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich. Warum tun Sie das? Warum tun wir das? Uns ist bewusst, dass wir die Welt nicht ändern können. Wir können den Hunger nicht besiegen, die Ausbeutung von Menschen nicht ein für alle Mal beenden, die Not von Menschen nicht endgültig aus der Welt schaffen. Aber wir können da und dort tatsächlich helfen. Wir versuchen, unserer Berufung als Christen und dem Evangelium treu zu bleiben. Wir versuchen, solidarisch bei Menschen zu bleiben, die auf unsere Unterstützung hoffen. Wir versuchen, diese Erde so zu erhalten, dass auch künftig Menschen auf ihr leben können. Dafür stehen auch die zwei Projekte, für die wir aktuell um Unterstützung bitten. Informationen dazu finden Sie in der Anlage zu diesem Brief. Auch wenn nicht alles möglich ist und nicht alles gelingt, wir bleiben in Treue dran – so wie Jesus seine Liebe zu uns durchgehalten hat, trotz Widerständen und Misserfolgen, bis in den Tod. Und wir vertrauen trotz allem auf einen treuen Gott – so wie es Jesus getan hat, den der Vater nicht im Tod gelassen, sondern aus dem Grab auferweckt hat.

Danke für alles treue Interesse und alle treue Hilfe, die wir von Ihnen erfahren. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche und ein frohmachendes Osterfest! Und ich wünsche Ihnen die Kraft, auch da, wo Sie in Ihrem persönlichen Leben auf Widerstände und Schwierigkeiten stoßen, treu dranzubleiben an dem, was Sie als Ihre Berufung erkannt haben, und auf den treuen Gott zu vertrauen.

Herzliche Grüße aus München
Ihr P. Cornelius Bohl ofm
Provinzial der Deutschen Franziskanerprovinz

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