Pater Cornelius Bohl ofm

Wirklich Großes ist oft ganz einfach.

Pater Cornelius Bohl ofm

Liebe Freunde der Franziskaner Mission!

Wirklich Großes ist oft ganz einfach. Das erstaunt und berührt mich immer wieder. Dieser Gedanke kommt mir auch in den Sinn, wenn ich an das letzte gemeinsame Mahl Jesu mit seinen Jüngern am Vorabend seiner Hinrichtung denke. Was damals geschah, feiern wir in jeder Eucharistie. Am Gründonnerstag werden wir uns in besonderer Weise daran erinnern.

Jesus weiß, dass er sterben wird. Er will seinen Freunden ein Vermächtnis hinterlassen. Nicht irgendetwas, nicht nur ein paar gute Gedanken, sondern sich selbst. Auch wenn er nicht mehr da sein wird, nicht mehr so wie bisher, will er für immer bei ihnen bleiben. Das ist etwas Großes. Aber einfacher könnte das Zeichen nicht sein, an das er sich bindet und in dem er durch die Geschichte hindurch gegenwärtig bleiben wird: ein Stück Brot. Ein einfaches Zeichen, das aus sich selbst spricht.

Dreierlei spricht mich da sofort an. Das vielleicht Wichtigste: Brot gibt Leben. Mehr noch: Brot ist Leben. Ohne Brot sind wir tot. Und genau das ist Jesus für uns: Leben. Leben in Fülle. Damit hängt dann gleich ein Zweites zusammen: Das Brot wird gebrochen und geteilt. Es lässt sich verzehren. Ein unberührter Laib Brot, der schön und rund und ganz im Brotschrank hart wird, nutzt niemandem. Jesus hat das getan, ein Leben lang, und sein Tod am nächsten Tag wird es noch einmal in nicht zu überbietender Deutlichkeit zeigen: Er hat sich nicht geschont, sondern sich selbst ganz eingesetzt, sich an uns verschenkt. Als er am Vorabend das Brot bricht und verteilt, deutet er damit seinen Tod: „Mein Leib, hingegeben für euch!“ Und schließlich: Brot ist alltäglich. Lebenswichtig, gewiss, und doch alltäglich. Kein Festmenü. Keine Mahlzeit für ganz außergewöhnliche Anlässe. So normal und alltäglich, dass man sogar immer wieder einmal weggeworfene Brotschnitten am Straßenrand oder im Abfalleimer finden muss. Auch das sagt etwas über Jesus: Er ist alltäglich da, nicht nur in den Hoch-Zeiten meines Lebens. Manchmal ist er so verborgen gegenwärtig, dass er dabei leicht übersehen werden kann. So ist Brot. Und so ist Jesus. So ist Jesus mitten unter uns da. Wirklich Großes ist oft ganz einfach.

Mit der Erinnerung an das Letzte Abendmahl Jesu beginnen die drei Österlichen Tage des Leidens und Sterbens und der Auferstehung Jesu. Das feiern wir jedes Jahr. Aber es reicht nicht aus, dies nur im Gottesdienst zu feiern. Christen versuchen zumindest, das, was sie im Kirchenraum zelebrieren, auch im Alltag zu leben. Jesus ist gegenwärtig, wenn in der Liturgie das Brot der Eucharistie gebrochen und verteilt und verzehrt wird. Aber er ist auch gegenwärtig, wenn Menschen das in ihren Beziehungen im Alltag umsetzen. „Außerhalb des Gottesdienstes“, hätte ich fast gesagt. Aber diese Formulierung stimmt nicht ganz. Denn wo wir im Alltag eucharistisch leben, wird das Leben selbst zum Gottesdienst. Wo Menschen füreinander zu Brot werden, weil sie sich gegenseitig zum Leben ermutigen und Kraft zum Leben geben, da ist Jesus da. Wo Menschen das, was sie haben und sind, mit anderen teilen, wo sie nicht nur an sich denken, sondern sich selbst investieren und verschenken, da ist Jesus da. Und das geschieht eben nicht nur in außergewöhnlichen und spektakulären Aktionen. Es kann jeden Tag geschehen, manchmal so unscheinbar, dass es für viele verborgen bleibt. Wirklich Großes ist oft ganz einfach.

Warum schreibe ich Ihnen das? Nicht nur, weil wir bald mit dem Gründonnerstag die Kar- und Ostertage beginnen. Ich bin überzeugt, viele unserer Projektpartner, die wir von der Franziskaner Mission München aus unterstützen, versuchen genau das: Sie wollen für andere Menschen wie ein Stück Brot sein, ihnen zum Leben verhelfen. Manchmal ganz konkret, indem sie ihnen tatsächlich eine tägliche Mahlzeit sichern, wie die Franziskanerinnen in Ascención de Guarayos. Über dieses Projekt informiert sie eine der beigelegten Projektkarten. Dabei geht es ihnen aber nicht darum, nur etwas zu organisieren. Sie geben eben nicht nur etwas zu essen. Sie geben damit auch Zuwendung, Nähe, Aufmerksamkeit, ein Stück von sich selbst. Und sie tun es alltäglich, weil man Brot und Leben und Zuwendung nicht nur in besonderen Augenblicken braucht, sondern jeden Tag. Dabei wird Jesus gegenwärtig. Verborgen oft und unscheinbar, aber wirklich. Das ist die Eucharistie des Alltags. Wirklich Großes ist oft ganz einfach. Wir Franziskaner danken Ihnen sehr herzlich, dass Sie die Menschen, mit denen wir in Bolivien und in anderen Ländern der Erde zusammenarbeiten, unterstützen. Was wir tun, können wir nur mit Ihrer Hilfe. Danke aber ebenso für Ihr Interesse, Ihr Wohlwollen und nicht zuletzt für Ihr Gebet. Alltäglich und oft verborgen geschieht sehr viel. Wirklich Großes ist oft ganz einfach.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Mitfeier der Kar- und Ostertage, die uns wieder neu froh machen wollen im Glauben. Vor allem aber wünsche ich Ihnen, dass Sie das, was wir da im Gottesdienst in der Kirche feiern, auch selbst erleben dürfen: Ich wünsche Ihnen, dass es in Ihrem Leben Menschen gibt, die für Sie wie Brot sind, Menschen, auf die Sie sich verlassen können, die mit Ihnen Leben teilen und einfach durch ihr Dasein und ihre Nähe Kraft zum Leben schenken. Und zwar alltäglich.

Herzliche Grüße aus München
Ihr P. Cornelius Bohl ofm
Provinzial der Deutschen Franziskanerprovinz

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