Dr. Ute Glock

Improvisation und Teamgeist. Das bolivianische „Projekt Guarayos“ in der Corona-Krise

Schwester Yanira Leida Justiniano Ortiz htsf kümmert sich um die Familien, deren Existenz durch die Corona-Pandemie betroffen sind. Bild von Yanira Leida Justiniano Ortiz htsf.

Die Provinz Guarayos mit ihrem Zentrum Ascensión de Guarayos liegt gut 300 Kilometer von der Großstadt Santa Cruz entfernt in vermeintlich sicherer Abgeschiedenheit. Ein einziger Durchreisender jedoch, der wegen einer unklaren Erkrankung das Hospital in Ascensión de Guarayos aufgesucht hatte, löste schließlich auch hier eine unheilvolle Infektionskette aus. Die ohnehin benachteiligte Region wurde unvorbereitet überrumpelt. Das Krankenhauspersonal wurde infiziert – das Krankenhaus musste schließen. Ein Krisenmanagement wie in Deutschland fehlt. Es fehlen auch Schutzkleidung, Masken, Testungen, Medikamente, von Sauerstoff und Beatmungsgeräten ganz zu schweigen. Die Todesfälle – auch unter jungen Menschen – häuften sich.

Folgen des Lockdown

Besonders schlimm betroffen waren die Menschen in Ascensión de Guarayos. Wegen der verordneten Quarantäne durften sie ihren Straßenverkauf nicht fortführen. Die Märkte wurden weitgehend geschlossen. Irgendwann funktionierte auch der Verkehr nicht mehr, sodass Guarayos von der Welt abgeschnitten war. Das, was an Lebensmitteln noch angeboten wurde, war wegen Überteuerung nicht mehr erschwinglich. Die Menschen hungerten, insbesondere die Kinder.

Auch die Einrichtungen unseres „Projekt Guarayos“ mussten schließen. Die heil- und sonderpädagogisch zu betreuenden Kinder blieben zu Hause. Ihnen fehlten nicht nur Gemeinschaft und Zuwendung, sondern auch die regelmäßige warme Mittagsmahlzeit. Unter Einhaltung der üblichen Hygieneregeln hat das Team der Betreuungskräfte wie gewohnt gekocht und sowohl fertige Mahlzeiten als auch Lebensmittel den Kindern und deren Familien nach Hause geliefert. Schwester Yanira Leida Justiniano Ortiz htsf, Leiterin des Ernährungszentrums Santa Clara, hat mit unserem neu erstandenen „Sound-System“ draußen im Dorf über Mikrofon die Menschen informiert, aufgeklärt, gewarnt. Sie hat Seife verteilt, für besondere Hygiene plädiert und auf den notwendigen Abstand verwiesen. Letzteres musste fast zynisch klingen, denn in den kleinen Hütten drängen sich auch bei Corona viele Familienmitglieder auf wenigen Quadratmetern.

Das tägliche Brot

Die Franziskanerinnen haben ebenfalls Lebensmittel organisiert, um den Ärmsten im Dorf beim Überleben zu helfen. Inzwischen ist eine überwältigende Hilfsaktion angelaufen, die einer schnellen und segensreichen Vernetzung zwischen der Franziskaner Mission München, dem Mutterhaus in Hall in Österreich und den Franziskanerinnen vor Ort zu verdanken ist. Sich selbst einem erheblichen Infektionsrisiko aussetzend, sicherten die Schwestern fast flächendeckend das Überleben der Armen mit Grundnahrungsmitteln.

Corona wird noch dauern und so werden auch weiterhin die Hilfsaktionen fortgeführt werden müssen. Das bedeutet Improvisationstalent, Solidarität und auch ein neuer Teamgeist bei der Umsetzung ungewohnter Arbeitsabläufe. Aber auch die finanziellen Mittel müssen mobilisiert werden, um den Ärmsten der Armen und ihren Kindern das tägliche Brot sichern zu können.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Mission 2020 / 3


Die Autorin Ute Glock ist Kinderärztin aus Büdigen und Gründerin des „Projekt Guarayos“, das sich zusammen mit den Franziskanerinnen um unterernährte und behinderte Kinder in Ascensión de Guarayos in Bolivien kümmert.

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