Nicht nur Kleider und Zahnbürsten nutzen sich ab. Auch Worte. Zu oft gebraucht, verlieren sie ihre ursprüngliche Form und Farbe, wirken plötzlich schäbig und sind manchmal gar nicht mehr zu gebrauchen. Dazu gehört für mich auch das Wort »dienen«. Natürlich weiß ich, wie zentral dieser Begriff für die christliche Botschaft ist. Jesus ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. »Wer bei euch groß sein will, soll euer Diener sein«, sagt er (Mk 10,43). Das demonstriert er nicht nur zeichenhaft bei der Fußwaschung, das lebt er existentiell bis in den Tod. Aber was ist aus dem »Dienen« seitdem geworden!? Man hat das Wort instrumentalisiert, um Menschen klein und unmündig zu halten. Gleichzeitig hat die Kirche ihre Berufung zum Dienst nur zu oft als Mittel zur Sicherung eigener Macht missbraucht. Spätestens seit der massiven Konfrontation mit sexueller Gewalt und spirituell legitimierten Abhängigkeitsverhältnissen bleibt mir das Wort von einer dienenden Kirche oft im Hals stecken.
Szenenwechsel. Tiefe Krisen gehören zum Leben. Auch bei Heiligen. Franz von Assisi befindet sich nach einem jahrelangen mühsamen Suchprozess auf der Erfolgsspur, die Bruderschaft wächst und gedeiht, als er unvermittelt in ein Loch fällt. Alles bisher Erreichte scheint plötzlich fraglich. Er weiß nicht mehr, warum er überhaupt da ist und wie es weitergehen soll. Soll er auch künftig predigen, also ständig unterwegs sein, mitten unter Menschen, sich mit offenen Ohren und einem großen Herzen von ihrer Not berühren lassen – oder sich nicht besser zurückziehen in die Einsamkeit, um in Stille und Gebet radikal Gott zu suchen? Er weiß sich keinen Rat, darum holt er sich Rat bei anderen, bei Schwester Klara und Bruder Silvester. Ihre Antworten decken sich: »Gott hat dich nicht für dich allein erwählt, sondern um des Heils der anderen willen.« Der Bericht der Fioretti, einer frühen franziskanischen Quellenschrift, über diese lähmende Identitätskrise endet erfrischend dynamisch: »Da erhob er sich, glühend vor Eifer, und sagte: Dann wollen wir in Gottes Namen gehen!« (Fior 16)
Christen sind nicht für sich allein da. Sie glauben nicht für sich selbst oder aus Sorge um das eigene Heil. Christen sind berufen für andere. Das hört sich so einfach an. Und vielleicht ist dieses »Nicht für uns, sondern für andere!« tatsächlich eine recht einfache Testfrage, ob wir noch in der Spur des Evangeliums unterwegs sind. Augenblicklich ist die Kirche viel mit sich selbst beschäftigt, das gilt auch für die Ordensgemeinschaften: Krisenmanagement, institutioneller Rückbau, Organisation neuer Strukturen … Das alles ist notwendig. Aber es reicht nicht. Nicht nur franziskanisch inspirierten Glaubenden sollte dieses Wort ständig im Herzen pochen: Du bist nicht für dich allein berufen, sondern für andere! Dann wären wir unterwegs zu einer – nun benutze ich das Wort also doch! – wirklich dienenden Kirche. Davon berichtet dieses Heft.
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