Helga Lausterer

Die Spenden kommen an! – Eine deutsche Familie hat nachgeforscht

Deutscher Besuch: Das Ehepaar Lausterer im Mädcheninternat in Sucre, „Zu unserer Überraschung hatten die Mädchen ein großes Dankesplakat gebastelt, das sie uns überreichten.“

Unsere Familie spendet seit vielen Jahren für die Franziskaner Mission. Von Arbeitskollegen und Freunden werde ich in Diskussionen immer wieder darauf angesprochen, warum man überhaupt für karitative oder religiöse Institutionen spenden sollte.

Dabei bekomme ich oft folgende Argumente zu hören: Die Spenden kämen nicht bei den Betroffenen an. Funktionäre und Verwaltung erhielten den Großteil des Geldes und würden sich bereichern. Wenn Bedürftige unterstützt werden, würden sie nicht mehr arbeiten wollen. Sollen doch reiche Menschen spenden. Bitt- und Bettelbriefe von kirchlichen Organisationen würden nur nerven …

Diese Zweifel sind zum Teil verständlich, doch sie sollten nicht dazu führen, dass wir uns von der wichtigen Aufgabe des Helfens abhalten lassen.

Vor einigen Jahren hatten wir eine größere Summe zur Verfügung, die wir zum Beispiel für einen Urlaub hätten ausgeben oder spenden können. Meinem Mann und mir kam der Gedanke, dass wir mit dem Geld auch ein gezieltes Projekt in Bolivien unterstützen könnten. Die prekäre Situation der Bevölkerung kannten wir vor vielen Jahren durch einen Rucksackurlaub. Also telefonierte ich mit der Franziskaner Mission in München. Und dies war eine Sternstunde für uns.

Uns wurden gezielte Verwendungszwecke für unser Geld vorgeschlagen und ausführlich erklärt. Wir entschieden uns, in einer Schule für behinderte Kinder in Santa Cruz den Bau eines Diagnosezentrums zu unterstützen. Regelmäßig erhielten wir Bilder und Berichte vom Baufortschritt und der Eröffnung. Wir waren glücklich, einen Beitrag zur Förderung vernachlässigter Kinder zu leisten und unterstützten noch weitere Projekte.

Begegnungen vor Ort

Helga Lausterer mit gehörlosen Kindern in Santa Cruz, Bolivien.

2024 entschlossen wir uns, unseren Urlaub in Bolivien zu verbringen und »unsere« Projekte vor Ort zu besuchen. Im Mai flogen wir dann nach Bolivien. Das Land ist immer noch voller Kontraste und geprägt von einer atemberaubenden Natur sowie von einer Bevölkerung, die mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist. Bolivien erstreckt sich von den schneebedeckten Gipfeln der Anden bis hin zu den Regenwäldern des Amazonas. Trotz dieser Schönheit kämpft ein großer Teil vor allem der ländlichen Bevölkerung mit Armut. Die Menschen haben oft keinen Zugang zu grundlegenden Angeboten wie Gesundheitsversorgung oder Bildung. Wir sahen Kinder, die Schuhe putzen, in den Straßen Süßigkeiten verkaufen oder in den Minen unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften mussten, damit ihre Familie zu essen hat.

Ich hatte unseren Reiseablauf so geplant, dass uns vier Tage zum Besuch eines Internates für Mädchen in Sucre und der Schule für behinderte Kinder in Santa Cruz zur Verfügung standen. Im Vorfeld hatte ich bereits Kontakt mit den verantwortlichen Personen in Bolivien aufgenommen. Ich war schon ziemlich aufgeregt, da die Verständigung ausschließlich auf Spanisch erfolgen würde und sich meine Sprachkenntnisse auf Anfängerniveau bewegen. Englisch ist in Bolivien nicht verbreitet.

Am vereinbarten Tag gab es in Sucre einen der gefürchteten »Bloqueos«, das sind Protestblockaden, die den Verkehr der ganzen Stadt lahmlegen. Wir konnten nicht abgeholt werden. Wir waren ziemlich enttäuscht, da wir am nächsten Tag schon das Busticket für die Weiterfahrt organisiert hatten und der Besuch damit ausfallen würde. Gegen Abend wurden die Sperren aufgehoben. Franziskanerschwester Silvia und ihre Kollegin konnten uns dann doch noch abholen. Durch die herzliche Begrüßung fühlten wir uns sofort willkommen. Im Internat erhielten wir eine Führung durch die Zimmer der Mädchen, die Küche, die Studiersäle, den Speisesaal, in dem rund 130 Kinder ein Essen erhalten. Ich war überrascht, wie klein die Küche ist und mit welchen einfachen Gerätschaften so viele Mahlzeiten zubereitet werden. Die Verständigung klappte gut, auch mit Hilfe von einem Online-Übersetzungsdienst, sehr zur Freude der Franziskanerinnen und der Mädchen.

Wir erfuhren viel über das Bildungssystem im Land, über die Schwierigkeiten, denen Mädchen ausgesetzt sind, aber auch über ihre Chancen. Die Internatsbewohnerinnen sind alle hoch motiviert, einen möglichst guten Studienabschluss zu erreichen. Abends aßen wir gemeinsam mit den Schwestern und den Mädchen. Zu unserer Überraschung hatten die Mädchen ein großes Dankesplakat gebastelt, das sie uns überreichten. Die Übergabe war ein sehr emotionaler Moment. Das Plakat hat in unserer Wohnung in Bayern einen Ehrenplatz direkt beim Eingang erhalten und erinnert uns immer an den Besuch.

Berührende Momente

Treffen mit dem bayerischen Bolivien-Missionar Reinaldo Brumberger.

Die letzten drei Tage vor unserem Rückflug verbrachten wir im Konvent San Antonio der Franziskaner in Santa Cruz. Nach einer anstrengenden, mehrstündigen Fahrt wurden wir auch hier aufs herzlichste begrüßt. Wir durften den deutschen Franziskanerpater Reinhold Brumberger kennenlernen, der uns viel von den Anfängen der Franziskaner in Bolivien erzählte. Auch mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten und noch immer haben. Am nächsten Tag erhielten wir eine Führung durch die angrenzende Schule der Franziskaner für 2.000 Schülerinnen und Schüler. Davon sind 500 geistig behindert. Diese Kinder blieben bei ihren Eltern sich selbst überlassen, da beide Elternteile den ganzen Tag arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Die Schule fördert die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und sie erhalten die Chance auf eine Ausbildung. Wir waren über die kleinen Gruppen und die individuelle Betreuung erstaunt. Je nach Voraussetzung gibt es auch handwerklichen Unterricht, zum Beispiel in der Bäckerei, Schreinerei oder Schneiderei. Auch am Musikunterricht konnten wir teilnehmen. Ich war berührt, mit welcher Hingabe und ohne Hemmung die Kinder musizierten und sangen. Die behinderten Kinder dürfen an kirchlichen und weltlichen Festen ihr Können und ihre Werke präsentieren.

Wir konnten mit eigenen Augen sehen, was mit Spenden ermöglicht worden ist und wie viel noch benötigt wird. Ohne Spenden werden in Bolivien Kinder sich selbst überlassen und verwahrlosen, bekommen Kinder kein Mittagessen, können arme Kinder nicht zur Schule gehen und Mädchen nicht studieren, gibt es keine Umwelt- und Gesundheitserziehung und so weiter.

Wir haben gesehen, dass unsere Spende hilft und nicht zweckentfremdet wird. Die Spenden kommen bei den Betroffenen an. Es gab keine Funktionäre, die sich an unserem Geld bereichern. Wir hatten auch nicht den Eindruck, dass wir durch unsere Hilfe Menschen von ihrer Arbeit abhalten. Wir haben unseren Horizont erweitert und neue Freunde gewonnen.

 

Artikel aus der Zeitschrift Franziskaner Mission, 2024/4

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