Wenn wir von Friedensarbeit sprechen, ist das nicht nur ein Engagement für eine Organisation oder ein konkretes Projekt. Es ist nicht einmal eine konkrete Veränderung in unserer Arbeit oder im Familienleben. Mensch des Friedens zu sein, ist eine innere Einstellung, die Ausrichtung meiner Selbst, meines Denkens und Handelns. Es ist ein so universeller Ruf wie der Ruf zur Liebe, es ist eine Lebensweise, die unser ganzes Wesen bewegt und bestimmt.
Für den Frieden zu arbeiten bedeutet vor allem, sich entschlossen den Mächten des Krieges und der Zerstörung zu widersetzen. Es bedeutet „Nein“ zu den Kräften des Todes und „Ja“ zum Leben zu sagen. Für den Frieden zu arbeiten bedeutet, für das Leben zu arbeiten. Frieden ist die Frucht der Bekehrung, er ist die Frucht der Veränderung unseres Lebens, um das Gebot der Liebe Christi zu leben. Frieden bedeutet, auf Gottes Fürsorge, auf seine Vorsehung, auf seinen Plan für unser Leben zu vertrauen.
Willen zum Frieden
Für den Frieden zu arbeiten ist unsere Pflicht; es ist eine lebenswichtige Dimension unserer christlichen Berufung. Der Weg zum Frieden ist geprägt von Worten der Wahrheit, von Werken der Barmherzigkeit und Taten der Gerechtigkeit. Ohne Wahrheit, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit kann es weder in unseren Herzen noch in unseren Häusern noch in der Welt wahren Frieden geben.
Wir Laien der franziskanischen Familie Boliviens haben entschieden, ein aktiver Teil der Mission der Kirche zu sein. Wir sind bestrebt, das friedliche Konzept zu leben und haben unseren Wunsch zum Ausdruck gebracht, das Leiden einer verletzlichen Menschheit zu lindern. Es geht darum, aktiv für den Frieden zu arbeiten, zum Beispiel bei der Teilnahme an Aktivitäten zur Erhaltung des Friedens, bei Workshops zu „Laudato Si“ oder bei der Schöpfungspflege mit Kindern und Jugendlichen. Auch Aufforstungsprojekte oder die Umsetzung von urbanen Nutzgärten, zur Selbstversorgung mit gesunden Nahrungsmitteln, zählen dazu.
Die Durchführung von Workshops mit Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Pfeiler der Friedenserziehung. Es geht hier um das Aneignen von Werten und Wissen sowie den Erwerb von Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Suche nach Frieden notwendig sind. Hier wird Frieden verstanden als ein Leben im Einklang mit sich selbst, anderen und der Umwelt.
Bäume für Leben
Derzeit verlieren wir auf unserem Planeten Jahr für Jahr große Waldflächen als Folge von Abholzung oder Waldzerstörung. Diese Wälder aber erfüllen wichtige Funktionen in Ökosystemen, wie zum Beispiel als Lebensraum für verschiedene Pflanzen- und Tierarten oder zur Milderung der Auswirkungen der globalen Erwärmung. Daher ist die Anpflanzung einheimischer Baumarten in Schutzgebieten in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Die Arbeit der franziskanischen Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung umfasst nicht nur die Anpflanzung der Bäume, sondern auch deren Überwachung und Pflege durch Bewässerung und Düngung. Die Wiederaufforstung ist eine wesentliche Maßnahme für das Überleben des Menschen und der anderen Lebewesen auf diesem Planeten.
Obwohl städtische Nutzgärten modern und neu erscheinen, gibt es sie in Bolivien schon seit mehr als einem Jahrhundert. Sie haben sich im Laufe der Zeit an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner der Städte angepasst. Die städtischen Gärten haben die Ernährungssituation der ärmsten Bevölkerung
leicht verbessert. Die Regierungen und die Kirche stellten Ackerland zur Verfügung. Die Besitzer großer Fabriken sahen die Vorteile dieser Gärten und förderten sie, da sie neben der Ernährungssituation auch die psychische Verfassung der Arbeiter fördern. Aus diesem Grund ist die Realisierung von städtischen Gärten weiterhin wichtig, um die wirtschaftlichen Ausgaben der ärmsten Familien zu verbessern und abzufedern.
Häusliche Gewalt
Als religiöse Organisation richtet sich die Friedensarbeit der Franziskaner seit jeher an die Schwächsten in der Gesellschaft – im Bemühen um gesellschaftlichen Wandel. Sie benennen die Probleme, die zu Unfrieden und Ungerechtigkeit führen, und entwickeln Lösungsstrategien. Sie helfen bei Sorgen, kümmern sich um Menschen, die auf der Straße leben, unterstützen sie mit Nahrung, achten auf ihre körperliche, seelische und geistige Gesundheit. In Bolivien hat die Corona-Pandemie die ärmsten Familien noch mehr geschwächt. Sie müssen jeden Tag arbeiten, um ihre Familien zu ernähren, da das Leben „von der Hand in den Mund“ für viele Familien Realität ist. Auch hier unterstützen die Franziskaner, wo sie können, und setzen sich unermüdlich für die Schwächsten ein.
Ein weiteres Problem, das immer größer wird, ist häusliche Gewalt. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, hat dazu aktuell einen Bericht vorgelegt. Darin wird darauf hingewiesen, dass Bolivien bei körperlicher Gewalt mit dem höchsten Aufkommen von Femiziden (Frauenmorde) und von Kindsmorden derzeit an erster Stelle steht: Insgesamt 47 Femizide und 11 Kindsmorde wurden 2021 bisher verzeichnet. Man führt die Fallhäufigkeit auf den unkontrollierten Alkoholkonsum von klein auf zurück, der in innerfamiliärer Gewalt, geschlechtsspezifischer Gewalt, psychischer Gewalt oder sexueller Gewalt endet.
Für den Kinder- und Jugendpsychologen Juan Paniagua ist der Alkoholkonsum in unserem Land viel zu hoch. Die Gesetze, die sich mit diesem Thema befassen, sind zu schwammig. Er sagt, dass es viele Faktoren gibt, die den Alkoholmissbrauch verursachen: die genetische Veranlagung, die Trinkgewohnheiten im Elternhaus, das soziale Umfeld, die Verharmlosung des Alkohols in der Werbung und vieles mehr. „Ein weiterer Faktor ist der leichte Zugang zum Kauf alkoholischer Getränke in unserem Land. Das geht in jedem Laden um die Ecke zu sehr günstigen Preisen“, sagt der Experte.
Er schlägt vor, Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen durchzuführen, die Kinder und Jugendliche über die Risiken und Folgen des Konsums alkoholischer Getränke aufklären.
Ein weiterer Grund für die Zunahme von häuslicher Gewalt ist die durch die Pandemie notwendige Quarantäne. In dieser Zeit gibt es grundlegende Veränderungen im Leben der Menschen: das Gefühl eingesperrt zu sein, Sorgen um Geld, finanzieller Unterhalt, Bewegungsmangel und psychologische Probleme im Zusammenhang mit der Angst vor dem Virus. Es gibt Projekte der Franziskaner, um den Familien, die diese schlechten Erfahrungen machen, mit Informationsworkshops in Bildungseinrichtungen und mit psychologischer Unterstützung zu helfen.
Friedensarbeit ist ein komplexes Thema, das einen mehrdimensionalen Ansatz erfordert – ein gemeinsames soziales Engagement zwischen Ordensleuten, Laien, dem Staat und der Gesellschaft. Friedensarbeit muss ein integraler Bestandteil werden. Entscheidend für den Friedensprozess ist die Entwicklung einer allgemeingültigen Sozialagenda. Friedenserziehung verstehe ich als ein Mittel zur Bildung von Werten. Das gilt natürlich für die Gesellschaft im Allgemeinen, ist aber vor allem auf das tägliche Leben eines Jeden gerichtet, auf das Miteinander, die Verbindung von Wissen und Handeln. Es beinhaltet die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt.
Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskanermission 3/2021